Person in roter Kleidung vor kariertem Hintergrund hält die Hände an den Kopf

Viele von uns sind in irgendeiner Form reizüberflutet, gerade jetzt zur Zeit der Corona-Krise werden wir von Nachrichten und Life-Tickern regelrecht überschüttet. Manche lesen deshalb schon gar keine Nachrichten mehr, aber ganz drum herum kommt man nicht, wenn man wissen will, welche Aktivitäten aktuell erlaubt sind und welche nicht. Durch die Lockerungen wird unser Leben langsam wieder „normaler“ – aber was heißt das eigentlich? Wollen wir wirklich zu unserem alten Leben zurückkehren? Was können wir aus der Krise mitnehmen? Das wird mir ein Spirit heute erzählen.

Ein Spirit zeigt mir zum Einstieg viele Szenen: Mehr Flugzeuge fliegen wieder, Zeitungen berichten über andere Themen als Corona, mehr Menschen fahren mit dem Zug, die Menschen beruhigen sich.

Dazu sagt der Spirit: Es ist gut, dass sich viele Menschen wieder mehr beruhigen.

Der Spirit – ich weiß nicht recht, ob männlich oder weiblich, aber das spielt eigentlich auch keine Rolle – spielt mir daraufhin eine ganze Weile lang altmodische Musik von einem Grammophon vor. Ich höre mir das einige Minuten an, aber dann werde ich etwas ungeduldig. Was will er mir damit sagen??

Spirit: Genieß es einfach.

Hm, heute fällt mir die Konzentration etwas schwer und ich bin ungeduldig und möchte ein Ergebnis haben, über das ich schreiben kann. Ein Grammophon allein ist jetzt nicht soo spannend…

Ich: Warum ein Grammophon?

Spirit: Es steht für Einfachheit. Zur Zeit der Grammophone gab es noch keine Reizüberflutung wie heute.

Ich: Aber viele Menschen sind nicht mehr in der Lage, sich auf wenige Dinge zu konzentrieren. Irgendwann werden sie ungeduldig oder langweilen sich,  so ist mein Eindruck.

Ja, ich spreche da auch aus eigener Erfahrung. Deshalb war der Lockdown eigentlich mal ganz gut für mich, weil automatisch einige Aktivitäten wegfielen und ich mich auf einige wenige Dinge konzentrieren konnte. Mittlerweile wird die Versuchung für Aktivitäten schon wieder größer. Das Thema kam zur Zeit aber auch in meinem Umfeld immer wieder auf: Viele Menschen haben nicht nur ein Interesse oder Projekt, sondern driften gerne ab zu anderen spannenden Themen, bis sie am Ende überfordert sind oder sich nicht mehr auf das ursprüngliche Thema konzentrieren können. Aber von einem Teil der Interessen trennen wollen sie sich dann auch nicht.

Spirit: Das liegt daran, dass Einfachheit nicht als wertvoll angesehen wird. Sie wird oft mit Faulheit, Armut oder niedriger Intelligenz gleichgesetzt. Schon in der Werbung sind die „coolen“ Menschen diejenigen, die viel beschäftigt sind.

Ich: Steht das nicht auch für Jugend? Sehr alte Menschen scheinen sich ja mit sehr wenigen Dingen zu beschäftigen und die etwas jüngeren Senioren wollen sich durch viel Aktivität beweisen, wie fit sie noch sind.

Spirit: Ja, auch.

Ich: Und ist es nicht auch die Ablenkung von inneren Konflikten, wie ihr schon mal erzählt habt?

Spirit: Ja, natürlich. Aber es spielt auch der Aspekt eine Rolle, dass man glaubt, man habe mehr „verdient“. Mehr Abwechslung, mehr Highlights, mehr Abenteuer.

Ich: Woher kommt das?

Spirit: Das hängt mit der Ich-Zentrierung zusammen. In der Werbung stellt man das Ich gerne in den Vordergrund durch Slogans wie „Das bin ich mir wert“ oder Ähnliches. Der eigene Wert wird im Außen gesucht. Viele denken: „Ich bin es wert, dieses oder jenes zu kaufen. Das habe ich mir verdient.“ Das kommt aber daher, dass sie sich innerlich keinen Wert geben.

Ich: Die Werbung erkennt also mehr oder weniger bewusst, dass viele kein Selbstwertgefühl haben, und tut so, als könne man es kaufen?

Spirit: Ja, aber das ist nichts Neues. Das war schon immer so. Heute haben die Menschen in eurer Gesellschaft nur mehr Geld und wissen nicht, wohin damit.

Ich: Was wäre die bessere Lösung?

Spirit: Es ist wichtig, gute Freundschaften zu haben, in  denen man sich gegenseitig bestärkt und anerkennt. In denen an sich gegenseitig Aufmerksamkeit schenkt, anstatt gemeinsam shoppen zu gehen oder von einem Hobby zum nächsten zu rennen.

Ich: Dann sind Einsamkeit oder qualitativ schlechte soziale Kontakte auch ein Faktor bei der Reizüberflutung?

Spirit: Ja.

Ich: Also zusammengefasst: Wenn wir uns gegenseitig mehr Aufmerksamkeit und Anerkennung geben, haben wir mehr Selbstwertgefühl und müssen uns nicht mit 1000 Dingen oder Hobbies dieses Gefühl erkaufen. Und dann können wir uns entspannt mit einigen wenigen Dingen beschäftigen.

Spirit: Genau.

Ich: Aber ich kenne einige, die jetzt argumentieren würden, dass doch Vieles so aufregend und spannend ist.

Spirit: Natürlich ist Vieles aufregend und ihr sollt es auch nicht abschaffen. Aber im Grunde reicht eine interessante Beschäftigung. Damit kann man vollkommen zufrieden sein.

Ich: Ist das nicht auch Typsache?

Spirit: Das ist vor allem Gelegenheitssache. Je größer die Auswahl, umso mehr springen Menschen vom Einen zum Anderen. Sie sind dann aber weder bei der Sache noch bei sich selbst. Sie bleiben an der Oberfläche. Und wenn ihnen langweilig wird, werfen sie es weg oder geben es auf. Dabei ist die Langeweile die Schwelle zur nächsten tieferen Stufe. Es gäbe so Vieles zu entdecken, doch Viele werden es nie finden, da sie schon auf dem Sprung zum Nächsten sind. Vor allem sich selbst verpassen sie.

Ich: Aus meiner Durchführung von Zuckerentwöhnungsseminaren weiß ich, dass Menschen sehr empfindlich reagieren, wenn man ihnen etwas wegnehmen will, in diesem Fall Zucker.

Spirit: Ja, du nimmst ihnen ja auch ihr scheinbares Selbstwertgefühl weg, das von außen kommt. Das innere Selbstwertgefühl kann man niemandem wegnehmen, aber ein Selbstwertgefühl, das auf äußeren Dingen aufbaut, kann einem jederzeit weggenommen werden. Deshalb reagieren Menschen darauf sehr empfindlich. Das sieht man zum Beispiel auch beim Umweltschutz. Keiner will auf sein Auto verzichten etc. Beim Auto kommen natürlich noch Faktoren wie Bequemlichkeit hinzu. Viele Menschen sind sehr instabil, weil sie unbewusst mit der Angst leben, dass man ihnen ihr erkauftes Selbstwertgefühl wegnehmen könnte. Aufrichtige gegenseitige Anerkennung und Wohlwollen sind das, was in eurer Gesellschaft zu kurz kommt.

Ich: Habt ihr konkrete Tipps, was man tun kann?

Spirit: Erst mal sollte man in sich selbst hinein spüren.  Dadurch, dass man sich selbst besser kennen lernt,  kann man Empathie für andere entwickeln. Wenn  man das gelernt hat, kann man in Kitas und Schulen etc. üben, das Mitgefühl für andere auch zu zeigen. Aber es muss echt sein. Erzwungenes Lob und Anerkennung können eher das Gegenteil bewirken, weil die Menschen spüren, dass es nicht ernst gemeint ist.

Ich: Und vielleicht hilft auch, eine Weile an Hobbies dranzubleiben, auch wenn es langweilig ist?

Spirit: Ja, man will sich selbst doch auch treu bleiben. Dadurch kann man Loyalität und Zusammenhalt lernen, auch wenn eine Situation gerade mal nicht spaßig ist.

Ich: Also, über die Qualität meiner Freundschaften kann ich mich nicht beschweren. Aber ich werde versuchen, die Reduzierung meiner Aktivitäten auch nach dem Lockdown beizubehalten und Langeweile auszuhalten. Das habe ich ja schon öfter versucht. Vielleicht halte ich es ja diesmal länger durch!

Nach diesem langen Gespräch bedanke ich mich erst mal bei dem Spirit und verabschiede mich.

Was kann man gegen Reizüberflutung tun?

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