Ein einsames Segelboot auf dem Meer

Heute gibt es ein Special, und zwar eine Geschichte über den Sinn des Lebens mit einer unerwarteten Wendung. Das Interessante daran ist, dass diese Geschichte einfach so angeflogen kam, als ich auf dem Bett lag. Diese Geschichte kam wie ein Film. Ich habe mir früher auch schon Geschichten ausgedacht und viele Romane angefangen zu schreiben. Ich kenne es, wie es abläuft, wenn man sich eine Geschichte ausdenkt, aber diesmal war es anders. Diesmal habe ich selbst gar nichts gemacht und einfach nur zugeschaut, konnte allerdings auch vorspulen. Also so, als wenn ich mir einen Film anschauen würde. Auf der anderen Seite war es dann aber doch anders als ein Film, weil ich die Emotionen des Protagonisten sehr intensiv spürte, stärker als beim Schauen eines Films. Mehr möchte ich dazu erst mal nicht verraten. Ihr könnt euch hier euer eigenes Bild machen. Intensiver wird es, wenn ihr euch die Audio-Version anhört:

Die erste Szene spielt auf einer staubigen Straße in einer Stadt, auf der gerade Autos fahren. Ein Mann in einem blauen Anzug hat gerade sein Auto am Straßenrand geparkt. Er geht in ein Juweliergeschäft, das ziemlich klein, eng und dunkel ist. Er hat Goldbarren dabei und verhandelt mit dem Juwelier über den Preis. Doch sie können sich nicht einigen und er verlässt das Juweliergeschäft verärgert wieder. Als er die Straße entlang geht, kommt ihm eine Frau in Petticoat und roten Schuhen entgegen. Anscheinend findet er sie attraktiv, denn er schaut ihr nach.

Danach geht er in eine Bar, die wohl auch tagsüber geöffnet hat. Vielleicht ist es auch eine Mischung aus Bistro und Bar. Der Barkeeper scheint ihn gut zu kennen. Der Mann in blauen Anzug bestellt sich schon am Tag einen Whiskey und sie unterhalten sich über das Wetter, währen der Barkeeper Gläser trocken wischt. Ansonsten ist die Bar ziemlich leer.

Der Mann setzt seinen Weg fort und irrt einige Zeit ziellos durch die Stadt. Das ist ein Gefühl, das er schon lange kennt, es kommt oft in seinem Leben vor, dass er ziellos umherirrt. Später hat er noch einen Termin, aber vorher geht er ins Rotlichtviertel, wo er eine Prostituierte trifft, die er schon länger kennt. Doch diesmal unterhalten sie sich nur und sprechen über die Goldbarren in seiner Tasche.

Anschließend kauft er sich eine Zigarre und eine Zeitung und während er die Zigarre raucht, liest er die Zeitung. Er interessiert sich für einen Artikel über Kennedy und entdeckt dann einen Artikel über eine Schiffsgesellschaft. Da spürt er zum ersten Mal in seinem Leben eine Art Begeisterung für etwas. Er erinnert sich, dass er als Kind mal Matrose werden wollte. In dem Moment beschließt er, wirklich Matrose zu werden!

Doch vorher muss er noch die Goldbarren beim nächsten Juwelier verkaufen, wo er den Termin hat. Dumm ist nur, dass dort die Polizei auftaucht und ihn festnimmt. Er wird auf dem Revier verhört und kommt schließlich in den Knast.

An dieser Stelle habe ich sozusagen vorgespult, weil ich mir die Zeit im Gefängnis nicht genauer anschauen wollte. Ich habe aber gespürt, dass das einzige, was ihn im Gefängnis aufbaut, die Schifffahrt ist.

Als er nach einigen Jahren entlassen wird, heuert er nun endlich auf einem Schiff an und arbeitet einige Zeit als Matrose. So kommt er dann irgendwann  nach Europa. Bisher hat die Geschichte anscheinend in den USA gespielt. Er kommt auch nach Paris und schaut sich den Montmartre und Aufführungen von Cancan-Tänzerinnen an.  Bis er sich zum ersten Mal in seinem Leben verliebt, in die Tochter des Ladenbesitzers, bei dem er immer einkaufen geht. Mittlerweile ist er etwa um die 30 Jahre alt. Die Tochter des Ladenbesitzers ist auch an ihm interessiert und so entwickelt sich eine Beziehung. Dadurch beschließt er, sesshaft zu werden und sich einen anderen Job und eine Wohnung zu suchen. Er findet einen Job als Handwerker. So geht das einige Zeit, bis seine Freundin ihn wieder verlässt, weil sie nicht mehr in ihn verliebt ist. Er erlebt einen großen Liebeskummer und beschließt, wieder zur See zu gehen. Auf dem Meer fühlt er sich frei und ist weit weg von allem. Dort ist so eine Weite und er fühlt sich einfach gut und viel besser als in einem „normalen“ Leben, das viele andere Menschen führen.

Einige Jahre später landet er dann doch in einem Büro und wird sesshaft. Er hat nun einen Job bei einer Reederei oder Ähnlichem in Hamburg. Dort arbeitet er einige Jahre und lernt die Tochter des Besitzers kennen. Sie ist 40 Jahre alt und noch ledig, womit sie für damalige Verhältnisse also als „alte Jungfer“ gilt. Sie heiraten, aber Liebe ist es nicht. Sie ist froh, einen Ma n gefunden zu haben, während er vor allem das Geld und das spätere Erbe von ihrem Vater im Auge hat. Das ist seine Hauptmotivation. Ansonsten ist er immer noch ziellos in seinem Leben und lässt sich treiben. In ihm ist eine innere Leere und Sinnlosigkeit. Er handelt nur nach seinem Verstand, aber nie nach seinen Gefühlen, und er ist nie richtig glücklich. Sein Leben entwickelt sich so, dass er mit seiner Frau zu langweiligen Diner-Abenden und Geschäftsessen geht und langweilige Gespräche führt mit Menschen, die ihn nicht wirklich interessieren. Er ist zwar dabei, aber innerlich kann er damit nicht viel anfangen, und lässt es über sich ergehen.

Einige Zeit später stirbt seine Mutter in den USA, aber er reist nicht zu ihrer Beerdigung und schickt nur eine größere Summe Geld dorthin, weil er sich nicht dafür interessiert und kaum noch Kontakt zu ihr hatte. Er hat auch kaum Gefühle für sie.

Ich habe dann wieder „vorgespult“, weil nicht viel passierte und mir sein Leben dann zu langweilig war. Als nächstes stirbt sein Schwiegervater und er und seine Frau erben die Reederei. Einige Zeit später stirbt auch schon seine Frau sehr früh, mit Anfang 60. Das ist der Zeitpunkt in seinem Leben, wo er die Kontrolle verliert. Er trinkt öfter, umgibt sich mit Prostituierten oder jungen Frauen, die nur an seinem Geld interessiert sind. Dadurch, dass er sehr viel Geld ausgibt, geht seine Firma auch immer mehr den Bach runter.

Als er etwa 75 Jahre alt ist, lernt er eine Frau kennen. Er geht öfter im Park spazieren und setzt sich dort auf eine Bank, um aufs Wasser zu schauen. Die Frau geht auch öfter in dem Park spazieren und so kommt es, dass sie irgendwann nebeneinander auf der Bank sitzen und ins Gespräch kommen. Sie ist interessiert an ihm, doch er lässt sie abblitzen, da er innerlich total verbittert, frustriert und leer ist. Er kann überhaupt keine positiven Gefühle zulassen. Eigentlich wäre ihm die Frau sympathisch, aber er ist nicht mehr in der Lage, innerlich etwas Positives zu spüren.  So löst sich dieser Kontakt wieder auf.

Mit Anfang 80 wird er immer gebrechlicher und fällt dann hin und verletzt sich. Deshalb muss er ins Krankenhaus. Von dort aus kommt er gleich in ein Pflegeheim, wo er sich langweilt und mit der Sinnlosigkeit seines Lebens konfrontiert wird. Er schaut auf sein Leben zurück und sieht, dass er es zu etwas gebracht hat, dass er viel Geld hatte und sich Vieles leisten konnte, doch das ist ihm nichts wert. Sein Leben erscheint ihm einfach sinnlos. Er ist auch sehr einsam und bekommt keinen Besuch im Pflegeheim.

Eines Tages sieht er einen kleinen 9-jährigen Jungen vor seinem inneren Auge.  Dieser Junge ist er selbst. Er sieht, wie er in diesem Alter allein durch die Straßen irrt, weil seine allein erziehende Mutter arbeitet. Zum ersten Mal kommen ihm die Tränen über die Einsamkeit, die er als Kind gespürt hat. Er verbringt viele Tage in seinem Zimmer im Pflegeheim damit, darüber nachzudenken und dieses Gefühl zu spüren. Sein Vater war schon sehr früh gestorben, es wird allerdings nicht ersichtlich, warum er gestorben ist. Er spürt Trauer, Verlust, die Einsamkeit und dass ihm immer ein Zuhause gefehlt hat. Schließlich beginnt er, sich mit dem Jungen zu unterhalten, der ihm seine ganzen Sorgen erzählt. Danach fangen sie an, miteinander zu spielen und er wird zu einer Art Vater für sein eigenes inneres Kind.  Dadurch kommt er immer mehr zu sich selbst und wirkt zufriedener. Die Pflegkräfte nehmen wahr, dass er mehr lächelt als sonst, sie wissen aber nicht, woran das liegt, da er nicht darüber spricht, was in seinem Inneren vor sich geht.

Irgendwann sieht er dann vor seinem inneren Auge seine Mutter, wie sie erschöpft nach Hause kommt. Da merkt er erst, wie sehr sie sich für ihn aufgeopfert hat, um sie durchzubringen. Ihm wird klar, dass er sehr undankbar war. Er erinnert sich an eine Situation, als sie ihm ein Auto geschenkt hat und er es einfach wütend in die Ecke geschmissen hat, weil er dachte, dass sie es ihm aus einem schlechten Gewissen heraus  als Ersatz geschenkt hatte, weil sie so wenig Zeit für ihn hatte. Im Nachhinein wird ihm aber klar, dass sie hart gearbeitet und gespart hat, damit sie ihm das Auto schenken konnte, um ihm eine Freude zu machen. Sie hatte natürlich auch Schuldgefühle, dass sie kaum Zeit für ihn hatte, aber es gab in dem Moment einfach keine andere Lösung. Es tut ihm jetzt leid, dass er so undankbar war. Ihm kommen die Tränen und gleichzeitig spürt er ein großes Gefühl der Dankbarkeit seiner Mutter gegenüber. Er weiß sie nun viel mehr zu schätzen und vergibt ihr, dass sie so wenig Zeit für ihn hatte.

In dem Moment taucht seine Mutter in echt auf. Er sieht sie als Gestalt in seinem Zimmer. Sie streicht ihm über den Kopf, als ob er ein kleiner Junge wäre.

Er ist jetzt wieder der kleine Junge.

Und dann geht er mit ihr mit. Seine Seele geht mit ihrer Seele mit und verlässt seinen Körper.

 Es ist wie ein Nachhausekommen nach einem langen Ausflug. Er wird auch noch von anderen Seelen empfangen, von Seelen Verstorbener, die er früher mal gekannt hat. Sie sind alle stolz auf ihn, dass er das geschafft hat, dass er sein Bewusstsein weiterentwickelt hat und die Einsamkeit und Trauer erkannt hat. Und sie sind stolz, dass er die guten Absichten seiner Mutter erkannt hat und ihr vergeben konnte. Dort ist eine ganz große Wiedersehensfreude, es ist wie ein Fest, das gefeiert wird, bei dem alle Seelen von ihrer Reise erzählen, die sie gemacht haben, um erwachsener zu werden. Es erinnert an das Lied „Hänschen Klein“, bei dem Hänschen in die Welt hinaus zieht und irgendwann als Erwachsener wieder zurückkommt. So ist das  mit den Seelen auch. Er spürt, dass dieser Ort hier  die Realität ist. Es ist ein Ort voller Freude, Liebe, Licht und Familie. Alle Seelen hier sind seine Familie. Seine ganze Einsamkeit ist verschwunden und ihm wird klar, dass sie nie real war. Er hatte nur seine Heimat vergessen, aber sie war eigentlich immer da. Die Seelen waren immer da und auf der Seelenebene waren sie immer verbunden. Nun spürt er ganz viel Frieden, kann lächelnd auf sein Leben zurückschauen und versteht nun den Sinn.

Er sieht seine Unbewusstheit und die Wegabzweigungen, an denen er einen anderen Weg hätte einschlagen können. Er hätte auch schon früher an diesen Punkt kommen können. Dann hätte er sich vielleicht auf die ältere Dame eingelassen, die er auf der Parkbank kennen gelernt hat. Aber in dem Moment war er noch nicht so weit, sein Bewusstsein war noch nicht so weit. Aber das kann warten, vielleicht trifft er sie ja wieder. Vielleicht in einem nächsten Leben oder was auch immer. Ihm wird klar, dass er seine ganzen Emotionen verdrängt hat, um sich nicht mit ihnen konfrontieren zu müssen, und dass er sich mit Frauen, Geld und Alkohol einfach nur abgelenkt hat. Es hätte viel schneller gehen können, dass er glücklich wird, aber anscheinend hat er diese Zeit gebraucht. Letztendlich ist es gar nicht so wichtig, denn das Universum hat Zeit. Und Zeit existiert eigentlich auch gar nicht.

Diese Geschichte kam innerhalb von 30 Minuten zu mir und spulte sich ab wie ein Film. Ich nehme an, dass diese Person etwa 1938 geboren wurde und dann anscheinend irgendwann in der heutigen Zeit gestorben ist.

Was war das jetzt? War das nur meine Fantasie oder war das eine Seele, die mir ihre Geschichte erzählen wollte? Ich kann es nicht genau sagen. Es war auf jeden Fall intensiver als normalerweise, wenn ich mir eine Geschichte ausdenke. Es waren auch fremde Emotionen dabei, die ich in der Form von mir selbst nicht kenne. Und ich war, wie gesagt, nur eine passive Zuschauerin.

Aber eigentlich ist das gar nicht so wichtig, denn es geht ja um die Aussage der Geschichte. Dieses Erlebnis war so intensiv, dass es mich noch tagelang beschäftigt hat. Ich habe noch lange die Atmosphäre der 60er und 70er Jahre gespürt. Es war alles sehr präsent und fühlte sich sehr echt an. Auch seine Emotionen, das Gefühl von Leere und am Ende das Gefühl von Dankbarkeit, waren noch sehr lange da.

Ich habe mir dann noch einige Gedanken darüber gemacht: Man muss ja nicht warten, bis man stirbt, man kann auch jetzt schon seine Seelenfamilie besuchen und mit ihr sprechen! Man kann diese Geborgenheit und das Zuhausesein auch jetzt schon spüren, weil immer alles gleichzeitig da ist, eigentlich gibt es ja keine Zeit.

Als außenstehende Person hat man ihn wahrscheinlich ganz anders wahrgenommen: Man hat seinen Werdegang gesehen, sein Geld und seine Ehe, die nicht besonders gut war, und dann seinen Tod. Man hat vielleicht gedacht: Der hat es gut, der hat viel Geld, hat reich geheiratet und war später so ein Lebemann mit jungen Frauen. Aber dann hat er wohl das Maß verloren und alles ausgegeben. Im Alter wird man halt komisch. Er war ja eigentlich schon immer ein komischer Kauz, so distanziert. Aber beschweren kann er sich ja nicht über sein Leben. Nur schade um seine Firma, die dann in Konkurs gegangen ist, weil er das ganze Geld auf den Kopf gehauen hat, und schade um die Mitarbeiter, die nur wegen seiner Vergnügungssucht  ihren Job verloren haben. Ja, er war schon ein komischer Kauz und Egoist.

Das könnte das Bild sein, das Menschen im Außen von ihm hatten, dabei wusste niemand, was innerlich in ihm vorging. Auch das Pflegepersonal bekam gar nicht mit, welche intensiven Erlebnisse er in seinem Innern noch am Ende seines Lebens hatte. Vielleicht haben sie ihn mittlerweile schon alle vergessen oder als komischen Typ abgehakt.

Mich erinnert diese Geschichte auch ein bisschen an die Weihnachtsgeschichte vom alten Scrooge. Deshalb fand ich sie jetzt passend und sie kam auch in den letzten Tagen in mein Gedächtnis, obwohl ich sie schon im August 2019 gesehen hatte. Ich wollte dann irgendwann mal einen Roman darüber schreiben, aber ich dachte dann, daraus wird ja sowieso nichts, so wie aus den anderen 10 Romanen, die ich noch irgendwann schreiben möchte … Deshalb habe ich sie lieber hier erzählt.

Vielleicht findet ihr darin ja auch irgendetwas Interessantes. Ich finde es schön, dass die Geschichte eine Art Happy End hat. Für mich ist es zumindest ein Happy End. In unserer Gesellschaft ist der Tod immer so etwas Negatives und Schlimmes und kein Happy End, aber in diesem Fall war es für ihn ein Happy End.

Ihr habt jetzt zwei Wochen Zeit, darüber nachzudenken, da ich jetzt erst mal Ferien mache … Ich wünsche euch eine besinnliche, friedliche und fröhliche Weihnachtszeit und einen guten Start ins neue Jahr 2021 – es kann ja alles nur noch besser werden.

Welchen Sinn hat das Leben? – Eine Weihnachtsgeschichte

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